Drei Minuten für ein Inserat
Inserate erzählen Geschichten. Geschichten über Trends in der Arbeitswelt (allzeit flexibel und bereit), über die Branche, die angepriesen werden soll sowie über Leute, welche die Anzeigen aufgeben. Die IT-Macher/innen und ihren Machbarkeitswahn zum Beispiel. Wachstum hat Zukunft, Wachstum gleich Fusion, Rationalisieren, Optimieren … bis hin zum Austausch «Maschine statt Mensch». So sieht das Resultat aus: Der Buchhalter wird durch eine Maus ersetzt und das Stelleninserat ins Gegenteil verkehrt[1].
Der Markt befiehlt’s
Dass die Rechnung nicht aufgeht, wissen wir bereits. Das Diktat des Marktes führt viele irre, das Gefühl für Grössenordnungen verliert sich, Effizienzstreben verkommt zum Leerlauf. Alles nach Marktgesetzen, die niemand verantworten oder ändern will: Selbst dann nicht, wenn immer groteskere Szenarien auftreten.
Haben Sie sich auch schon gefragt, weshalb US-Gerichte immer häufiger Urteile über Millionenbeiträge fällen, die betroffenen Firmen diese scheinbar locker hinblättern, sich wenig ändert? und niemand protestiert, wenn gleichentags die Tochtergesellschaft desselben Unternehmens zehntausende von Leute entlässt? «e-payroll» fällt da als Jobkiller gar nicht mehr auf.
Unzimperliche Wortwahl
Wobei die SORECO-Group nicht die einzige ist, welche sich einer flapsigen Sprache gegenüber den einst hochgeschätzten Buchalter/innen bedient. Die Wirtschaftszeitung CASH überschrieb einen Artikel zu Finanzsoftware mit «Quickie im Zahlungsverkehr»[2]. Weiter gings im Text, süffig angereichert durch Aussagen wie «PC wird zum Säckelmeister» oder «Finanzwächter zur Seite».
Ach ja, kosten tut der EDV-Spass gleichwohl etwas ? ohne von der Eingabe unendlich langer Referenznummern zu befreien. Wie das Geld eingeteilt werden soll, was bei Ausständen zu tun ist und wohin sich die monetäre Entwicklung bewegt, beantwortet der digitale Heimbuchhalter ebenso wenig. Er sagt nicht einmal «Guten Morgen».
Realität & Ausblick
Als ich einen befreundeten Finanzfachmann auf den scheinbaren Niedergang seines Berufsstandes anspreche, meint er: «Leute wie uns braucht es immer. Sie heissen heute «Controller» oder «Accountant». Eher werden sie zur Schnecke gemacht als durch eine Maus ersetzt! Und wirklich reich sind sie? auch das eine vielgehörte Unterstellung ? selten. Dazu fehlt ihnen der vermögende Vater, der Riecher für riskante Spekulationen oder das besondere Talent, Mitmenschen um ein paar Nasenlängen voraus zu sein. Als Ausgleich liefern sie eine solide Bilanz.»
Er nimmt vorweg, was Peter Baumgartner hoffnungsvoll formuliert: «Ich träume davon, dass wir den Sinn, der einmal hinter jeder Arbeitsleistung stand, wieder finden.»[3]
[1] Leute schicken statt suchen
[2] CASH, Nr. 11/16. März 2001
[3] ALPHA, 21./22. April 2000