Drei Minuten für ein Bild
Eine ungewohnte Szenerie: Zwei Boxer (der eine im Jackett, der andere mit Bügelfalte, Gürtel und Hemd) und ein Hintergrund, welcher auf städtische Zivilisation schliessen lässt: Einzig die roten Fäustlinge sowie die Zuschauenden erinnern an die üblichen Kämpfe im Ring.
In der Tat stehen sich hier zwei Londoner Geschäftsleute gegenüber. Für einmal treffen sie sich nicht für eine Partie Golf, sondern zu einem körperbetonten Fight. Sie folgen dem Trend des «White-Collar-Boxing», populär geworden durch den Film «Fight Club»; der allerdings spielte in Kellerräumen und mit von der Partie war Brad Pitt …
Taktischer Sieg
Dieser Faustkampf findet im Freien, zwischen Bürotürmen und Betonbauten statt. Laut der SPIEGEL-Meldung handelt es sich bei den Kontrahenten um einen Headhunter und einen Investmentbanker. Vielleicht hat letzterer gerade den früheren Stars der Szene, den Analysten, einen Kinnhaken verpasst, um anschliessend seinen Vermittler mit Technik und Reaktionsfähigkeit zu beeindrucken.
Allerdings: Er muss das Gegenüber achtsam behandeln, ihm zeigen, wie gut sein Mandant ist, ohne ihn zu demütigen. Der spätere Fürsprecher soll auch zum Zug kommen, geschickt abgeblockt werden und am Ende der dritten Runde knapp nach Punkten verlieren. Eine Schramme darf es absetzen, keineswegs aber eine brüskierende Verletzung oder gar ein K.O.
Ziel des Sports sei «die Überwindung des inneren Schweinehunds und die Entdeckung der eignen Männlichkeit», heisst es in derselben Zeitungsnotiz[1]. Ein blaues Auge gelte als Beweis von Kühnheit, eine blutende Braue würde zum Vorzeigeobjekt. Da bin ich froh, als Frau geboren zu sein bzw. meine Weiblichkeit nicht erst öffentlich unter Beweis stellen zu müssen (was mittels Muskelspielen nur schwer gelänge).
Dass solche Vorstellungen von Mann-Sein und Sich-Durchschlagen-Müssen keine Ausnahme sind, zeigt das zweite Beispiel.
Nahkampftraining für Spitzenkräfte
In den Niederlanden messen sich zukünftige Topshots bei Ausschreitungen mit der Polizei. Kämpfe mit echten Ordnungshütern stehen auf dem Trainingsprogramm. Die Krawattenträger imitieren nicht etwa die 68er-Generation, sondern holen sich angebliche Schlüsselqualifikationen. «Sie müssen im Job strategisch denken. Dabei ist ein klares Feindbild dienlich» meinte ein Sprecher der Amsterdamer Polizei. Um das besser zu können, dürfen die CEO´s auf die Barrikaden gehen, Steine werfen und Uniformierte vom Pferd zerren. Richtige Raufereien, welche mann tunlichst ausserhalb der Firma auszutragen hat. Im schlechtesten Fall dienen sie als Ventil, im besten Fall verhelfen sie zum notwendigen Biss. Ein TV-Reporter kommentierte das zweifelhafte Erfolgsrezept mit dem Ausspruch: «Wer richtig zuhaut, macht Karriere![2]»
[1] DER SPIEGEL, Nr. 40/2000