Drei Minuten für ein Filmzitat
Cagney und Lacey ist eine überraschende TV-Krimi-Serie aus den USA. In 125 Episoden und vier Filmen treffen zwei Polizistinnen nicht nur den Nerv der Zeit, sondern stellen klar, was andere in hochstehenden wissenschaftlichen Konstrukten zu erfassen suchten: die
Arbeitszufriedenheit
Es ist längst Abend, das Revier menschenleer. Christine Cagney und Mary-Beth Lacey sitzen sich an ihren Schreibtischen gegenüber. Unschlüssig, ob sie nach Hause gehen oder noch einen Bericht schreiben sollen. Lacey sucht etwas in ihrer Tasche, Cagney dreht einen Kugelschreiber in der linken Hand. Lacey blickt unvermittelt auf und fragt:
Lacey: Tust du es gern?
Cagney: Was meinst du?
Lacey: Unsere Arbeit. Ich kenne nicht viele … Also: Tust du’s gern?
Cagney: Ehrlich gesagt, ich denke gar nicht mehr darüber nach. Das,
was ich tue, mache ich gut. Ich tue das jetzt schon so lange,
dass ich mich gar nicht mehr frage, ob ich das gerne tue.
Es ist mein Beruf. Und es ist das, was ich bin.
Natürlich ist es nicht immer angenehm, das kann man nicht
behaupten.
Aber wenn ich arbeite, ist es meine Welt. Da ist es gleich, ob
ich es gerne tue oder nicht.
Lacey: Hm, mag wohl sein …
Cagney: Das heisst aber nicht, dass ich nicht ein/zwei Mal im Jahr
sage: «Mann, mir hängt das alles zum Hals heraus!» Und dann
bin ich eine Polizistin, die es zum Sergeant gebracht hat und
sonst nichts. Das kommt nicht oft vor. Nur wenn ich den
Moralischen hab.[1]
Solch hintergründigen Dialoge sind rar. Meist hetzen die Cops vom Tatort zu Gerichts-terminen, führen die Staatsanwaltschaft an der Nase herum, unterstützen Benachteiligte, stehen gerade eine Ehe- oder Alterskrise durch und ermitteln nebenbei den richtigen Täter.
Wenn Fragen nach dem Sinn oder der Motivation zur Arbeit auftauchen, dann frühmorgens oder nach Dienstschluss. Entgegen der Zwei-Faktor-Theorie von Herzberg (wonach «Motivatoren» und «Hygienefaktoren» die Arbeitszufriedenheit ausmachen) üben die zwei einen ungünstigen, ermüdenden, gesundheitsgefährdenden und schlecht bezahlten Job aus. Ihre positive Arbeitseinstellung gründet auf dem Sinn, den sie in ihrer Tätigkeit sehen sowie der Identifikation mit einem Beruf, der sie in Männerkreisen bestehen liess und neue Handlungsmöglichkeiten eröffnete. Dafür nahmen sie Aussendienst in Kauf, kratzende Uniformen und feixende Kollegen.
Die beiden Frauen hinterfragen ihre Aufgabe selten, sie ist ihnen in Leib und Seele übergegangen ? zusammen mit dem Heldenmythos, den die Mattscheibe verströmt.
In der Realität der Arbeitswelt 2000 ist dieser Glamour längst weg. Höhere Werte werden bei Neujahrsansprachen und in Geschäftsberichten zelebriert, allenfalls noch beim Life-Talk auf dem Business-Channel. Damit hat es sich.
Zufriedenheit am Arbeitsplatz ergibt sich von selbst, Hygiene ist in Europa Standard, für die Motivation wird einzig auf den Lohn gesetzt. In Verkennung der Mitarbeitenden (und in Übertragung ihres eigenen Gewinnstrebens) pushen die Vorgesetzten Leistungslohn, Boni, Prämien. Dabei lassen sie ausser Acht. dass sich Angestellte nicht allein durch hohe Gehälter motivieren, diese verhindern höchstens ihre Demotivation. In erster Linie muss die Arbeit stimmen. Oder wie es Cagney ausdrücken würde: «Keine zehntausend Dollar brächten mich da weg. Aber die Stelle hier wäre zumindest soviel mehr wert!»
[1] Aus der Episode «Und nichts als die Wahrheit», Darstellerinnen: Sharon Gless und Tyne Daly, USA 1995