Drei Minuten für ein Kultobjekt
Auf der diesjährigen Wunschliste dürfte er kaum noch stehen ? zu viele besitzen bereits ein solches Gefährt, in eingeweihten Kreisen «Trolley» genannt. Ich weiss nicht, wie oft ich bereits über dieses vielgeschlenkerte Ding geklettert bin. Demonstrativ versperrt es den Weg, lässt sich nur stolpernd überholen und zuweilen ist ihm gar nicht mehr auszuweichen; zum Beispiel dann, wenn es der Besitzer ruckartig nach hinten verschiebt bzw. der nächstfolgenden Person in die Beine knallt. Diese kommt entweder zu Fall oder läuft unweigerlich auf einen smarten Geschäftstypen auf, welcher den Vorfall weltmännisch mit «sorry!» kommentiert.
Duft der grossen weiten Welt
An seinem Äusseren mag es kaum liegen, dass das Gepäckstück in kürzester Zeit zum ultimativen Reisebegleiter avanciert ist. Zwar verkörpern strukturierter Nylon, schwarze Ledereinfassung, gefederte Rollen sowie das fein gehütete Innenleben einen Hauch von Lifestyle. Entscheidend ist jedoch, wofür das Utensil steht: für Geschäftsreisen, wichtige Termine in Übersee, allzeit busy, gefragt und erfolgreich. Auf dem Absprung nach oben,zwischen New York und Hongkong rasch beim Hauptsitz vorbei, habt ihrs alle gesehen?
Manchmal habe ich den Eindruck, die Person sei bereits gestern um diese Zeit der Bahnhofstrasse entlang gehastet, am Metallgestell das Klebband der immer gleichen Fluggesellschaft, aufs Neue signalisierend: Gerade angekommen, First Class Flight, Jetlag weggesteckt.
Blosser Schein
Seltsam, die Kleider sind nie zerknittert, der Trenchcoat weht frisch im Wind (wenn er nicht durch den trendigen Kurzmantel ersetzt worden ist -> aber kommt dieser mit auf den Business-Trip?).
Mag sein, dass der Besitzer der Werbung auferlegen ist, welche beteuert, wieviel in den rollenden Taschen Platz findet und dass es die weichen Gepäckaufbewahrer punkto Widerstandskraft mit jedem Hartschalenkoffer aufnehmen können (was dann sogleich an ahnungslosen Passant/innen ausprobiert werden muss).
Vielleicht ist das Ganze blosser Schein. Nichts mit Ausland, keine Stippvisite auf Spesen, London lässt noch lange auf sich warten. Der Trolley ersetzt die dünne Ledermappe, verleiht dem Besitzer Bedeutsamkeit. Und unpraktisch verhält er sich auch nicht: Gratisanzeiger und Pausenapfel verschwinden diskret im Hemdenfach …