Drei Minuten für ein Plakat
Arbeitslosigkeit ? das Thema ist aus den Schlagzeilen geraten. Selbst ein grosser Stellenabbau führt gerade noch zu einer kleinen Zeitungsnotiz. Besser lesen sich die Konjunktur-meldungen auf der Börsenseite.
Ehrlich gesagt: Der entlassene, sich ständig zu Hause aufhaltende Nachbar wirkt unheimlich, erinnert an eigene berufliche Fallstricke. Der Strassenverkäufer lässt zusammenzucken, mit seinem: «Arbeitslosenzeitung! Arbeitslosigkeit geht uns alle an, es kann auch Sie treffen …».
Trotzdem wird Erwerbslosigkeit verschwiegen, unterschätzt. Die Umstellung ist mehr als eine Berg-und-Talbahn-Fahrt. Eher eine Geisterbahn, mit ungewissem Ausgang ? gleichsam als Antriebsmotiv in einer Gesellschaft der «Lebensunternehmer».
Was beschäftigt Direktbetroffene? Zuerst die Loslösung:
Losmachen von der Firma;
Loslassen vom erfolgsorientierten Selbstbild;
Loskommen von der Idee arbeitslos = nutzlos;
Losgeschickt um Formulare auszufüllen;
Losgehen auf Jobsuche;
Ausgelost werden? zum Vorstellungsgespräch.
Dann die Zeit des Wartens, des sich überall am falschen Platz Fühlens, die Angst vor dem Entdeckt-/Beobachtet-Werden.
Morgens im Shoppingcenter: Geschäftiges Treiben, nur selber ist man nicht in Eile. Unter den Hausmanagerinnen, welche mit langer Liste und geübtem Blick durch die Gestelle kurven. Neben dem Neu-Rentner, welcher die Warenwelt wie einen fremden Planeten erforscht. Hinter den Student/innen (zwischen zwei Büchern eine Fertigpizza) und vor der Portfolio-Workerin (für Villa X den Hund ausführen, für Auftrag Y frische Kräuter holen).
Da ist es wieder, das klamme Gefühl: Du gehörst nicht hieher ? nicht am Montagmorgen, nicht am Stehtisch einer Bar. Zeit, in der Tasse zu rühren und Löcher in die Luft zu starren. Wer verweilt länger, verzichtet auf gestresstes Aktenlesen, hat kein Handy hinters Ohr geklemmt? Die Arbeitslosen.
Bleibt die Jobsuche. Eine Lotterie? Namenlose auf der Suche nach dem grossen Gewinn. Als Haupttreffer winkt die neue Stelle. Wer bei den Personalchefs eine Niete zieht, fühlt sich selbst als solche. Der Trost-preis besteht in einem unverbindlichen «Vielleicht ein nächstes Mal».
Nein, Arbeitsverteilung darf nicht zum Glücksspiel verkommen, wo der Wink des Schicksals alles bedeutet, Know-how und Einsatz wenig zählen. Kasino und Kapitalmarkt gehören eh den Privilegierten. Das Stellenkarussell sollen sie nicht auch noch drehen.
Arbeit hat es in dieser Welt genug. Und der 09.00-Kaffe schmeckt in Gesellschaft besser!