Drei Minuten für eine Titelzeile
November 2000: die Konjunktur zeigt nach oben, der IT- Bereich boomt, Chrampfen ist angesagt. Und da verkündet der neue Leiter von «Organisation und Management» des IAP Zürich: «Es gibt ein Leben neben dem Job». Ein «noch» hat er vorsichtshalber eingeschoben (er weiss, woher die Brötchen? in seinem Fall die Beratungsaufträge? kommen …). Dennoch handelt es sich um eine mutige Aussage! Während die meisten in den ersten 100 Tagen entweder abtauchen oder immerfort von «Herausforderung» und «Innovation» sprechen, relativiert er das Ganze.
Was dann?
Die Haltung von Dr. Christof Baitsch beruhigt. Zudem haben sich die Zeichen der Zeit mittlerweile korrigiert: Der Weltmarkt ist weniger «aufgepeitscht», die New Economy hat an Zauber verloren, diverse Manager/innen nehmen ihren Reformeifer zurück. Andererseits stellt sich die Frage: Was passiert, wenn man nachdenkt? Was bleibt an Leben, neben dem Job?
Viele flüchten sich in die Arbeit, studieren Akten in der Nacht, erledigen Pendenzen übers Wochenende, richten den gesamten Lebensstil auf den Beruf aus. Den inneren Verlust an persönlichen Dingen bemerken sie erst gar nicht (oder nehmen die Einengung von Interessen bewusst in Kauf). Zeit ist knapp, Business und Betriebsamkeit gehen vor. Arbeit wird zum Zwang, manchmal auch zum Vorwand oder Ersatz.
Flucht vor der freien Zeit
Wenn das Wort «Ferien» fällt, werden etliche durchgeschüttelt. Nur nicht darauf antworten müssen … Löste früher allein das Stichwort «Urlaub» Stirnrunzeln aus («der/die ist wohl doch nicht so ambitioniert …»), hat es Kollegin X doch tatsächlich gewagt, auf drei Wochen Kreta zu bestehen. Sie reist ab, ohne Karriereknick oder Gesichtsverlust!
Dabei würde es die Arbeitsmenge zulassen. Aber was ist, wenn nachher ein ehrgeiziger Neuling auf meinem Stuhl sitzt? Oder ich mir überlegen muss: Welche Bücher möchte ich lesen, welche Ausflüge unternehmen, welche Leute sehen? Am Strand sollte ich mich mit den Kindern beschäftigen (die mir fremd geworden und inzwischen Jugendliche sind). Abends, bei Kerzenlicht, verlangt die Partnerin eine Aussprache über die Aufteilung Job-Haushalt.
Job und Leben
Sich aktiv mit Beziehungen beschäftigen? Würde viel bringen, auch fürs Geschäft: z.B. soziale Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Teamgeist. Wer aus der Reihe tanzt, lebt intensiver, nicht unbedingt konfliktfrei – aber authentischer. Und muss nicht plötzlich feststellen, was Bruno Franzen, früherer Interhome-Chef, letzthin im «Tages-Anzeiger» verkündete: «Eine Manager-Ehe bedeutet gemeinsam einsam zu sein». Das ist dann gar kein Leben mehr!