Drei Minuten für eine Titelzeile
20. April 2000: «Chappi wird Bürogummi» verkündet der Aushang der Gratiszeitung «Metropol». Auf Seite 13 wiederholt sich die Überschrift. «Bürogummi Chapuisat» steht als Titel über einem Artikel, welcher ein Schnupperpraktikum des Goalgetters bei der Credit Suisse zum Inhalt hat. Um die Verletzungspause zu überbrücken und «einen Einblick ins Geschäftsleben zu erhalten» schlage der Stürmer seine Haken jetzt am Computer.
Kurz sind sie, die Überschriften (oft auch verzerrt und einseitig). Einem naiven Neuling entspricht der kaufmännische Angestellte mitnichten; das mit dem eidgenössischen Fähigkeitsausweis erfahren wir allerdings erst im Kleingedruckten.[1]
Der Text äussert sich mit keinem Wort zum «Easy-Büroleben». Die Mimik des Kickers lässt eher auf eine Fülle neuer Eindrücke und Aufgaben schliessen. Nichts von Dösen im bequemen Sessel, gemütlichen Konferenzrunden oder stundenlangem Kaffeeplausch. Genau dies suggeriert jedoch die despektierliche Schlagzeile – und haut damit in die Kerbe längst vergessen geglaubter Vorurteile: Wer’s leicht haben will, wählt einen Administrativ-Job.
Abgesehen davon, dass sich in der heutigen Zeit immer mehr Tätigkeiten hin zum Schreibtisch verlagert haben, gilt nunmehr ein anderes Klischee: «Bürohengste» sind die mit den sportlich Wagen, der klassischen Kleidung, den langen Arbeitstagen, den kurzen Wochenenden, der fremd gewordenen Familie und den toughen Entscheidungen[2].
Auch in dieser Beziehung unterscheidet sich Stéphane Chapuisat nicht von anderen Topshots. Ausser, dass sein Name bekannter, der Backoffice-Einsatz kürzer und er schon immer ein besserer Drippler gewesen ist.
Die dreimonatige Verletzungspause ist mittlerweile vorbei. Der Ballkünstler hat sich neben dem grünen Rasen gut zurecht gefunden, die «Nacht des Schweizer Fussballs» geplant, ein CS-Team an das Länderspiel gegen Deutschland begleitet und hautnah erlebt, was «Sponsoring Services» heisst. Schade, dass selbst der Pressedienst des Grasshopper-Club der Stage seines Spitzenspielers wenig abgewinnen kann. Zitat: «Es gibt dazu wirklich nicht viel zu sagen …»
[1] Nicht ohne Grund hat ihm Rainer E. Gut, CS-Verwaltungsrats-präsident und GC-Sponsor, nach Ende der Fussballkarriere eine berufliche Zukunft in der Grossbank zugesichert!
[2] Martin Suter, Business Class, DIE WELTWOCHE, Nr. 29/2000